Ist man als Mutter überfordert?

Wer eine Familie managt und dabei auch noch arbeiten geht, der weiß, daß dabei nicht immer alles glatt geht. Die tägliche Arbeit reicht für mindestens 48 Stunden, aber leider hat der Tag nur 24 davon.  Und man soll ja heute auch in allem Perfekt sein:  als Frau, Mutter, Freundin, Haushalts-Wunder, Karrierefrau.

Man soll ein sauberes, schönes Heim für die Familie haben, jeden Tag gesund und frisch kochen, natürlich mindestens Bio, sich um alle Belange des Kindes kümmern, mit ihm spielen, lesen, basteln, Hausaufgaben machen, Gedichte lernen, Vokabeln abfragen. Mindestens ein Ohr für den gestreßt von der Arbeit heimkommenden Mann haben, ihm zuhören und vor allem zustimmen bei seinen Erzählungen, wie furchtbar der Chef heute wieder war und dass der ja keine Ahnung hat, dafür sorgen, daß seine Hemden und Hosen sauber und gebügelt sind, ihn an seinen Arzttermin erinnern, pünktlich das Abendessen auf dem Tisch haben, da er ja dann pünktlich zum Kegel-Abend mit seinen Freunden los muß. Man muß das Haus umdekorieren, weil ja Ostern/Weihnachten und sonst was für ein Fest vor der Tür steht. Es müssen die sozialen Kontakte gepflegt werden, nach allen Seiten, also seine Tante Hildegard anrufen, die sich als Rentnerin immer langweilt und mit ihrer Zeit nichts anzufangen weiß, die dann am Telefon auch immer vorwurfsvoll sagt, daß es ja wohl auch mal wieder Zeit wäre, daß wir uns melden. Daß mein Mann sich nicht meldet, dafür hat sie ja Verständnis, er geht ja schließlich arbeiten, aber ich könnte mich ruhig öfter bei ihr melden und mal fragen, wie es ihr geht. Dass auch ich arbeiten gehe, Vollzeit wohlgemerkt, das erwähnt sie nicht, denn es ist ihr ja schon immer ein Dorn im Auge, daß ich so eine Rabenmutter bin und mich nicht um mein Kind kümmere, eben weil ich ja arbeiten gehe, ihrer Meinung nach zu meinem Vergnügen wohlgemerkt. Von einem Treffen mit meinen Freundinnen, von einem Hobby für mich, konnte ich nur träumen. Ich hatte zu tun, daß ich wenigstens einen Friseur-Termin für mich in die Reihe bekam.

Ja, ich kenne das familiäre Chaos, was manchmal herrscht(e). Heute ist mein Sohn groß, selbst verheiratet und Vater eines süßen kleinen Spatzes. Aber ich weiß noch sehr gut, wie schwierig es war, Kind, Mann, Haushalt, Haus und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen. Manchmal schlug über mir einfach alles zusammen. Aus heutiger Sicht habe ich für mich ein klares Fazit gefunden: Es ist völlig egal, ob der Haushalt tipp topp in Ordnung ist. Die Aussage: Bei mir kann man vom Fußboden essen! habe ich schon sehr früh entkräftet, bei mir muß man nicht vom Fußboden essen, wir haben Teller. Und wen der Staub auf den Möbeln stört, dem kann ich ein Staubtuch in die Hand geben, und wer Wollmäuse findet, der darf sie behalten. Ich mußte meine Ansprüche diesbezüglich runter schrauben, es ging nicht anders. Und was soll ich sagen, wir haben es überlebt. Aber alles, was ich in mein Kind investiert habe, hat sich doppelt und dreifach ausgezahlt. Ich habe versucht, ihn gut zu erziehen, habe versucht, ihm alles zu ermöglichen, woran er Lust und Spaß hatte. Egal, ob es aller paar Wochen eine neue Sportart war, ob er mit Freunden Baumhäuser gebaut hat, er durfte sich einfach ausprobieren und seine eigenen Erfahrungen sammeln. Jeden Abend haben wir eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen, wir haben gesungen, wir haben gespielt. Ich habe geglaubt, ich mache alles richtig. In der Pubertät habe ich mein Kind manchmal gar nicht wieder erkannt, urplötzlich war alles anders, er war anders. Ich fing an, an mir zu zweifeln. Offensichtlich hatte ich gar nichts richtig gemacht, alles war falsch gelaufen. Die Pubertät brachte mich stärker an meine Grenzen, als die gesamte Zeit vorher. Man erreichte das Kind überhaupt nicht mehr, weder mit Worten noch mit Taten. Ich hatte manchmal das Gefühl, mein Kind ist ohne Hirn und Verstand. Auch wenn ich es damals nicht geglaubt habe, selbst diese schlimme Zeit ging vorbei. Und das Tollste war, mein Kind fand sein Gehirn wieder.

Heute weiß ich, daß diese Zeit völlig normal ist, aber sie auszuhalten ist hart für Eltern. Wenn ich heute sehe, wie mein Sohn mit seinem Kind umgeht, stelle ich fest, daß er alles das bei seinem Kind wiederholt, was er in seiner Kindheit erfahren hat. Es kann also doch nicht alles falsch gewesen sein, was ich versucht habe. Offensichtlich hat es doch gefruchtet. Alles das, was mein Kind bis zur Schulzeit zu Hause an Liebe, Geduld, Erziehung und Erfahrung erhalten hat, hat sich ganz tief eingeprägt. Ab der Schulzeit wurde der Einfluß der Eltern etwas weniger, er nahm bewußt wahr, daß es in anderen Familien anders zu ging, nicht unbedingt schlechter, eben nur anders. Er war alt genug, klug genug, sich selbst eine Meinung zu bilden. Der Erfahrungsschatz wurde größer. Für Eltern ist das manchmal eine schwierige Zeit. Wir bestimmen:  zieh das an, mach das, tu dies, nein, jetzt nicht, doch, das machst du jetzt und nicht später, weil ich es dir gesagt habe. Wenn Kinder älter werden, fangen sie an, alles zu hinterfragen. Warum ist das so? Wieso sagst du heute etwas anderes als gestern? Gestern durfte ich das Haus nicht ohne Mütze verlassen, obwohl ich sie nicht aufsetzen wollte. Heute darf ich ohne Mütze raus, weil du sie vergessen hast und ich dich erst jetzt daran erinnert habe.Wieso? Auch Eltern müssen lernen, daß sie nicht unfehlbar sind, auch wenn es manchmal peinlich ist, vom eigenen Kind dabei ertappt zu werden. Das Schwierige ist, die Prioritäten richtig zu setzen. Dieser Lernprozeß für Eltern hält ein Leben lang an.

 

 

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